Allgemein

Offener Brief des Betroffenen -Netzwerkes rechter und Polizeigewalt in Deutschland

An die Bundesregierung zur ‚Gedenkstunde für die Opfer terroristischer Gewalt‘ am 11. März.

Sehr geehrte Bundesregierung,

wir sind auf Ihre Einladung zur ‚Gedenkstunde für die Opfer terroristischer Gewalt‘ aufmerksam geworden. Mit Bestürzung stellen wir fest, dass einige Familien von Opfern und Überlebende rechten Terrors zu Ihrer jährlichen Gedenkveranstaltung am 11. März nicht eingeladen wurden.

Ein solches Gedenken, welches alle Opfer terroristischer Gewalt undifferenziert zusammenfasst, relativiert und untergräbt die Strukturen und Motive des von uns erlebten Terrors – insbesondere den rassistischen und antisemitischen Rechtsextremismus. Darüber hinaus ist es für uns unverständlich, nach welchen Kriterien Sie bestimmen, wer Opfer oder Überlebender solcher Gewalt ist und wer demzufolge zu Ihrer Gedenkstunde eingeladen wird und wer nicht?

Werden wir als Betroffene nach unserer politischen Zugehörigkeit, unseren Zahlen und Netzwerken oder unserer Fähigkeit, die deutsche Sprache zu sprechen, sortiert? Erkennen Sie uns als Opfer nach dem Ausmaß unserer Verletzungen und unseres Leids an? 

Und was ist mit denjenigen von uns, deren Fälle noch nicht vollständig untersucht und als Terror anerkannt worden sind? Und was ist mit uns, die wir Kinder, Geschwister, Eltern und Freunde durch Polizeigewalt verloren haben?

Wir fordern Transparenz bei der Entscheidung, wer zu einer solchen Gedenkfeier eingeladen wird und wer nicht. Dazu sagen wir auch: Entweder wir Alle oder niemand.

In den letzten Jahrzehnten haben wir erfahren, dass Sie Unterschiede zwischen den Opfern machen – sei es bei der Höhe der Entschädigung oder bei der Unterstützung in den Tagen nach unseren Gewalterfahrungen. Ebenfalls besteht häufig ein Ausschluss von betroffenen Familien aus offiziellen Gedenkveranstaltungen bis hin zu einer fehlenden Anerkennung unserer eigenen Gedenkfeiern- dazu sagen wir: Es reicht.

Wir, als Netzwerk von Angehörigen von Opfern und Überlebenden des rechten Terrors, leisten bundesweit wichtige Präventionsarbeit in Bildung, Medien und Politik und der Gesellschaft, um die Kontinuität dieser Gewalt zu stoppen. Neben unserer Trauer und unseren selbstorganisierten Gedenkfeiern werden unser Widerstand, unsere Stimmen und unsere Kämpfe immer wieder unsichtbar gemacht. Wieder und wieder werden wir ignoriert und unsere Forderungen nicht ernst genommen. Die bewusste Entscheidung, einige Familien und Betroffene einzuladen und andere zu ignorieren, verschärft dieses Problem und untergräbt den notwendigen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus.

Wir nehmen bestürzt zur Kenntnis, dass Ihre Einladung zu dieser Veranstaltung Betroffenen keinen Platz gibt, vor Ort zu Wort zu kommen. Da wo wir sind, schweigen wir nicht. Diese Gedenkstunde, die keinen angemessenen und ausreichenden Rahmen für alle Hinterbliebenen schafft, macht deutlich, dass Sie uns nicht hören wollen. 

Wir möchten kein Teil einer performativen Politik sein, die uns keinen Raum gibt zu sprechen. Dieser Tag gehört den Betroffenen und den Überlebenden rechten Terrors. Wir haben viel zu sagen. Ebenso haben wir Forderungen. Wir sagen: Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen. 

Erinnern heißt kämpfen.

Wir verurteilen die ignorante Haltung der Bundesregierung aufs Schärfste.

Unterschriften: